Wie der mitgekommene Leser vom alten Blog weiß und die neuen Leser es nun erfahren, bin ich soziophob. Ich habe das zwar gelernt zu verstecken und zu überspielen, habe die Auswirkungen auch schon reduziert und stelle mich regelmäßig meiner Angst (spätestens beim wöchentlichen Einkauf), aber das ändert alles nichts an der Tatsache.
Als Soziophobiker mache ich mir viel zu viele Gedanken darum, was andere Menschen von mir denken könnten und finde negatives Gedankengut äußerst schrecklich. Ich will also immer einen guten Eindruck machen, was nebenbei als Frau ohne Sinn für Mode oder Kosmetik und einer Neigung zu Hyperhidrose und lustigen Eigengeruch echt schwer ist. Und da ich mir um dessen Umstand bewusst bin, aber nicht einsehe unnötig Geld für Klamotten oder Zeit für Schminken zu verschwenden (Hyperhidrose am Rücken nicht behandelbar ist und ich täglich dusche und dank Hyperhidrose trotzdem miefe), macht es jetzt auch nicht besser.
Trotzdem versuche ich immer meine Angst vor Mitmenschen in den Griff zu bekommen. So übe ich seit Jahren die Kunst der unbequemen Antworten. Ein Beispiel dafür wäre „nein“.
Früher war es so, dass man mich fragen konnte, was man wollte und wenn es mir noch so unangenehm war… ich traute mich nicht nein zu sagen. Was würde der Mensch denn dann denken? Das ich nicht hilfsbereit oder faul bin! Vielleicht sogar schadenfroh, weil der Fragesteller nun alleine das was auch immer machen muss, er seine Verabredungen nicht wahrnehmen kann oder blub. Also sagte ich immer ja – auch dann, wenn es mir gar nicht recht war.
Irgendwann ging es mir aber so auf den Zeiger, dass ich dann nicht machen konnte was ich wollte und eigentlich gar keinen Bock auf Helfen hatte, das mir das „Nein!“ eher versehentlich und spontan und unbeabsichtigt heraus rutschte. Ich war dann erst mal wie erstarrt. Ich hatte doch jetzt nicht wirklich… oder… hab ich mir das nur eingebildet… hat da ein Alien von mir Besitz ergriffen… oh bitte lass es das Alien sein… ICH HABE NICHT GERADE WIRKLICH NEIN GESAGT??????
Dieses Nein bekamen zu dem Zeitpunkt Asterix und Obelix zu spüren. Die beiden waren mit mir oft im Teamspeak, wir verstanden uns super und wir unternahmen oft und auch gerne etwas zusammen. Nur an diesem Tag hatte ich wenig Lust, weil… ich weiß nicht mehr warum. Ich weiß nur noch, dass ich damals in WoW auf der Insel des Donners herumkroch und tägliche Aufgaben erledigten und mich die Bitte um Hilfe davon abgehalten hätte (oder von etwas, was ich mir für danach vor genommen hatte oder so).
Die beiden Jungs nahmen mir das „Nein“ nun nicht wirklich krum – ich weiß bis heute nicht, ob sie das nein überhaupt überraschte – und nahmen das mit Humor. So wirklich an den Gesprächsverlauf kann ich mich nicht mehr erinnern (das war damals nicht wirklich weltbewegend), aber ich versuche es mal zu rekonstruieren. Irrtümer und Verwechslungen liegen auf meiner Seite. 😉
„Boah! Sei doch mal sozial!“
Ich, immer noch total von meinen Ausrutschter, brauchte einen Moment für eine Antwort, aber ich glaube es war dann wieder einfach nur „Nein.“ – was mich noch mehr verschreckt hatte.
„Aber warum denn nicht?“
Und dann erzählte ich den beiden von meiner Soziophobie und wie sie sich auswirkt und und erklärte, dass Soziophobiker nun mal nicht sonderlich sozial wären – was voll gelogen war, denn auf Grund unserer Ängste wollen wir ja nicht auffallen und sind daher eher sehr sozial, aber irgendwie musste ich ja meine blöde Antwort begründen.
„Mit anderen Worten du bist voll unsozial?“
„Äh… ja… könnte man sagen… aber… ich bin nicht asozial oder so, weil ich nutze ja niemanden aus oder hänge bekifft irgendwo rum oder…“
„Okay… Unsozial aber nicht asozial. Schon verstanden. Und? Kommst du nun mit?“
„Ja.“ ._. Da war das Alien wieder weg.
Aber es war der erste Schritt. Was ich auch den beiden Idioten da verdenke. Denn sie gewöhnten sich an, mich nicht zu fragen, ob ich nun mitkommen möchte, sondern fragten, ob ich heute sozial sei. Darauf mit „nein“ zu antworten fiel mir deutlich leichter – denn sie wollten ja erst mal nichts von mir. Und wenn ich mich als unsozial deklarierte, fragten sie meist gar nicht erst nach, ob ich irgendwohin mitkommen wollte. Zu meinen Unglück fragten sie aber auch so nach, wenn andere Leute, wie zum Beispiel Big Boss oder Müpfi anwesend waren und so sprach es sich im Freundeskreis langsam aber sicher rum.
Es verging nochmal fast ein Jahr – aber dann hatte ich meinen Ruf weg. Also neben den Ruf Unmengen an Lebensmittel zu vertilgen oder manchmal komische Sachen zu sagen. Dieses Jahr half mir aber, zumindest bei Freunden, auch mal nein zu sagen – selbst wenn die Frage direkt und ohne Umschweife gestellt wird. Wobei ich mich allerdings bis heute nicht wohl fühle, weil ich das Gefühl hab die Anderen im Stich zu lassen. Und wenn die dann auch noch anfangen zu betteln, wird es noch schwerer. Oft genug breche ich dann ein. Momentan muss da das… hrm… „Hindernis“ schon sehr groß sein, damit ich dann hart bleibe.
Allerdings ist „ich habe heute keine Lust auf sozial“ oder „ich bin heute voll unsozial“ ein absoluter Argumenthammer geworden, den die Leute kaum noch hinterfragen und es akzeptieren. Und wenn dann jemand neues fragt, der gerade erst dazu gestoßen ist, dann muss ich gar nicht mehr Luft hohlen, denn irgendwer sagt dann schon „… ist heute mal wieder unsozial.“
Mehr noch… inzwischen geht es soweit, dass „Du bist sozial!“ zu einer (freundschaftlichen) Beleidigung geworden ist. Also so eine Art Beleidigung, bei der niemand beleidigt ist und alle lachen müssen und trotzdem jeder weiß, was Sache ist. Also zumindest innerhalb meines Freundeskreis.
Und als es dann an den Blog ging… tja… irgendeinen Namen musste ja her. Es sollte etwas mit mir zu tun haben ohne das es ZU deutlich wird. Leute aus meinen näheren Umfeld sollten ja nicht durch Zufall auf den Blog stoßen können. Aber es durfte auch nicht absurd oder untypisch ich sein. „Unsozial“ war da schon lange ein Thema… aber es dauerte etwas länger, weil ich anfangs etwas Richtung „unsoziale Blume“ oder so sein sollte. Also nur an Adjektiv und nicht der Haupttitel. Aber… ich hab mich dann mal was getraut. Wobei ich nach wie vor nicht weiß, wie der Name auf die Nichtblog-Kenner wirkt – insbesondere im Kontext mit dem Stuss, den ich manchmal von mir gebe.
Nebenbei:
„Nein“ sagen fällt mir immer noch schwer. Insbesondere im nichtvirtuellen Umfeld.